Das Kriebsgrab von 1941: Eine Inschrift, die viel neuer ist, als sie aussieht...

 

 

Was war? - Foto links

81 Jahre stand der Grabstein für zwei im Zweiten Weltkrieg gefallene junge Soldaten so, wie man ihn auf dem Foto links oben sieht, auf dem Friedhof in Altenbrunslar. Der Stein erinnert an Karl Geiser und Johannes Schäfer. Beide sind nur wenige Wochen auseinander geboren, im Mai bzw. Juli 1917, und nur wenige Wochen auseinander gestorben, im Sommer 1941. Beide Männer wurden nur 24 Jahre alt. Seit über acht Jahrzehnten steht der Grabstein somit für zwei von vielen Millionen Menschen, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren, obwohl sie ihr ganzes Leben noch vor sich hatten.

Der Grabstein legte aber auch Zeugnis davon ab, dass auch in Altenbrunslar der Nationalsozialismus mit seiner Ideologie und seiner Propaganda, die sich auch in der Sprache niederschlug, eine unbestreitbare Realität war. So war im Eisernen Kreuz auf der Vorderseite des Steins ein Hakenkreuz eingraviert. Der Text der Inschrift endete mit den Worten "Sie gaben ihr Leben für Großdeutschland."

Was passierte? - Foto Mitte

Das Kriegsgrab, ein steinernes Geschichtsdokument, wurde in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 2022 von unbekannten Tätern schwer beschädigt. Die Vorderseite besprühten sie mit roter Farbe, auf die Rückseite schrieben sie mit der gleichen roten Farbe "Euer Kreuz hat einen Haken". Zudem hämmerten sie offensichtlich gezielt auf das Hakenkreuz im Eisernen Kreuz und auf das Wort "Großdeutschland" ein, um beides unkenntlich bzw. unlesbar zu machen.

Warum beschädigten die Täter mutmaßlich gerade diese Stellen der Inschrift auf dem Kriegsgrab?

Das Hakenkreuz war 1920 unter Adolf Hitler zum Zeichen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und in den 1930er-Jahren zum offiziellen Zeichen und Statussymbol des Nationalsozialismus in Deutschland geworden. "Großdeutschland" stand in der Vorstellung der Nationalsozialisten für ein zu schaffendes Deutschland, das alle Deutschen miteinschließt. Es war auch die Bezeichnung für das nationalsozialistische Deutschland unter der Diktatur Adolf Hitlers nach dem sogenannten "Anschluss" Österreichs (März 1938). Die NS-Propaganda sprach vom Deutschen Reich, Großdeutschen Reich oder auch Großdeutschland.

Was ist jetzt zu sehen? - Foto rechts

Nach dem Vandalismus-Vorfall (siehe Artikel in der HNA vom 02.02.2022) wurde der Grabstein des Kriegsgrabes von einer Steinmetz-Firma abtransportiert. Die Experten gaben den Hinweis, dass die rote Farbe nicht von der Vorderseite entfernt werden könne, ohne dass die Inschrift dabei in Mitleidenschaft gezogen würde. In Abstimmung zwischen der Stadt Felsberg, den Angehörigen und dem Ortsbeirat Altenbrunslar fiel die Entscheidung, die Vorderseite glatt zu schleifen und neu zu beschriften. Dies geschah in der original Schrifttype der alten Inschrift in gleicher Weise wie zuvor - mit zwei Ausnahmen: Das Hakenkreuz im Eisernen Kreuz wurde nicht wieder hergestellt. Und anstelle des Satzes "Sie gaben ihr Leben für Großdeutschland" ist jetzt zu lesen: "Sie verloren ihr Leben im Zweiten Weltkrieg (1939 - 1945)"

Vor diesem Hintergrund erklärt sich die ganz neue Inschrift auf dem alten Kriegsgrab von 1941. Der Ortsbeirat Altenbrunslar bedauert, dass diejenigen, die mit dem Hammer gegen das NS-Symbol bzw. gegen die NS-Begrifflichkeit vorgingen, nicht stattdessen das Gespräch gesucht haben. Dann hätte ihnen erklärt werden können, dass der Grabstein des Kriegsgrabes von 1941 auf dem Altenbrunslarer Friedhof als originales lokalhistorisches Zeitzeugnis seine ganz eigene, wichtige und mahnende Bedeutung hatte: indem es dazu aufforderte, uns mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte auseinanderzusetzen. Auch wenn der Originalzustand des Grabsteins nicht mehr wie zuvor vorhanden ist - die Aufforderung zur Auseinandersetzung lebt weiter.