Vom Reiter ohne Kopf in der Kapelle von Altenbrunslar
über diese Kapelle erzählt man sich auch folgende Sage:
Es war an einem Winterabend nach der großen Völkerschlacht bei Leipzig [16. bis 19. Oktober 1813, Befreiungskriege] Burschen und Mädchen erzählten sich in einem Bauernhause allerlei Geschichten.
Die Spinnräder surrten.
Da erschien noch als letzter ein junger Bursche, der Schmiedehenner, und berichtete, er habe in der gegenüberliegenden Kapelle, die nur bei Sterbefällen benutzt wurde, ein Licht gesehen.
Voller Angst und Schrecken lauschten die Mädchen und dachten schon mit Grauen an der Heimweg.
Der Schmiedehenner jedoch in seinem übermut erbot sich, in die Kirche zu gehen und die Bibel von der Kanzel zu holen.
Er verschaffte sich vom Totengräber den Kirchenschlüssel, bewaffnete sich mit einem schweren Hammer und führte sein Vorhaben aus. Ein Reiter sprengt heran, schwingt sich vom schnaubenden Pferd und bindet es an der Kirchentür an. Vor dem Altar zieht er ein Messer hervor, um es zu ermorden. Der Reiter läßt sein Opfer fallen, flüchtet auf sein Pferd und reitet auf und davon. Die Jungfrau aber reichte ihm später aus Dankbarkeit die Hand zum Ehebunde.
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aus: Das heimatliche Sagenbuch von Otto Riemenschneider (Heimatschollen-Verlag, 1951), nach Angaben von Georg Pilgram, Altenbrunslar.
Der Werwolf in der Mähdelle
Vor ungefähr 100 Jahren (Text aus 1951) wurde noch überall in unseren Dörfern das Küferhandwerk ausgeübt.
Die Küfer oder Böttcher stellten Wasserfässer, Futter- und Wassereimer, Kohlfässer und Bottiche zum Einpökeln von Fleisch her.
Ihre fertigen Waren verluden sie auf Schubkarren und brachten sie zur Kundschaft über Land.
An einem Herbsttag im Jahre 1848 hatte ein Küfer aus Altenbrunslar seine Fässer in Grebenau abgesetzt und kehrte dann, nach Abschluss eines guten Geschäftes, über Wagenfurth und durch den Quiller nach dem Heimatort zurück.
Sein Weg führte durch den Markwald und über die Mähdelle, eine ehemalige Waldwiese.
Es war bereits spät abends und stockdunkel. Vor einer kleinen Anhöhe hinter der Mähdelle setzte er seinen Karren einen Augenblick ab, um zu
rasten und sich eine Pfeiffe anzuzünden.
Als er mit Schwamm und Feuerstein hantierte, erblickte er mit einem Male eine riesenhafte Gestalt mit großen feuerroten Augen, die auf ihn zukam.
Er vermutete sofort einen Werwolf, erschrak heftig, fasste dann aber Mut und rief: "Ding, das sage ich dir, komm nur nicht hierher, ich schlage dich kurz und klein!"
Dann packte er seinen Karren auf und hastete weiter, den Verfolger im Auge haltend, der mit seinen Glühaugen immer näher kam.
Da ließ der Küfer seinen Karren los, ergriff seinen schweren Eichenstock, den er stets mitführte, und stürzte auf das Ungeheuer los, das sich schnell
umdrehte und im dunklen Walde verschwand.
Der Mann konnte in der Aufregung kaum den Karren wiederfinden.
Nach Mitternacht erst kam er in Schweiß gebadet zu Hause an.
Er glaubte, dass das Untier ein Fremder gewesen wäre, der mit ihm in der Gastwirtschaft in Grebenau gesessen hatte
und sich in einen Werwolf verwandelte, um ihn zu berauben.
aus: Das heimatliche Sagenbuch von Otto Riemenschneider
(Heimatschollen-Verlag, 1951)